Rouven Renggli: Trotz Jubiläum kein Grund zum Feiern

100 Spiele für die Red Lions Reinach: Rouven Renggli
Sein erstes und sein 100. Match gegen die Argovia Stars

Kaum zu glauben, aber wahr: Der grandiose 5:3-Erfolg im Derby gegen die Argovia Stars vom letzten Samstag war für Rouven Renggli bereits der 100. Einsatz im Dress der Red Lions Reinach. Der 27jährige Flügelstürmer ist ein „Mann der ersten Stunde“ und gleichzeitig der lebende Beweis, dass totgesagte Klubs oftmals länger leben. Statt Freude herrscht allerdings Tristesse pur, nachdem der Spielbetrieb wie schon letztes Jahr per sofort bis Ende Januar unterbrochen wurde.

Der Rote Löwe mit den meisten Einsätzen
Renggli 2017

Als kleines Dankeschön wird der Jubilar irgendwann ein Matchleibchen mit der Zahl 100 bekommen. Die Ehrung war gestern Mittwoch im Rahmen des Heimspiels gegen Burgdorf vorgesehen, fällt nun aber bis auf weiteres ins Wasser. Es wird Rouven Renggli tagtäglich an die schönen, in der Startphase auch sehr struben Zeiten des Klubs erinnern. Der smarte Stürmer gehört nämlich quasi zum Inventar des Aargauer Erstligisten. Ausser ihm sind nur noch Ersatz-Goalie Marc Witschi sowie die Stürmer Jan Vogt (bisher 92 Einsätze), Marco Rosamilia (90) und Nicolas Moldovanyi (69) seit dem Start im Frühling 2017 weiterhin dabei. Captain Simon Schnyder kam erst 2018 dazu, ist inzwischen aber auch schon bei 74 Einsätzen angelangt.

Von Söderhamn nach Reinach
Red Lions Reinach, Rouven Renggli
Renggli 2021

Es war der damalige Lions-Trainer Beat Renggli, der seinem Namensvetter Rouven das Erstliga-Projekt in Reinach schmackhaft machte. Nach einer Saison bei den Argovia Stars und zwei Jahren in Schweden (Söderhamn, Nybro Flames) hatte Letzterer eigentlich andere Pläne. Er wollte im Norden bleiben und strebte als Bachelor-Student (Städtebau, Verkehrs- und Raumplanung) gleichzeitig die Berufsmatur an. Studium und Sport liessen sich in Schweden jedoch nicht unter einen Hut bringen, was Rouven Renggli schliesslich zur Rückkehr in die Heimat bewog. Statt den Red Lions Reinach hätte sich der gelernte Hochbauzeichner dabei auch jenen Klubs anschliessen können, in denen er alle Nachwuchsstufen durchlaufen hat (Luzern, Zug, Sursee, Langenthal). «Ich fand das Erstliga-Projekt extrem spannend», begründet Rouven seinen damaligen Entscheid, «zudem liebe ich neue Herausforderungen.». Link: Bilder vom ersten Match

Einst Lachnummer, jetzt 1.-Liga-Niveau
Sein 1. Match (Bild: 2017) und sein 100. Match gegen die Argovia Stars

In seiner Rückblende gesteht der dienstälteste Player offen, dass die ersten Jahre in Reinach sehr schwierig waren: «Wir hatten keinen Einfluss auf die Rangliste, waren den sportlichen Anforderungen der höchsten Amateurliga nicht gewachsen und zahlten viel Lehrgeld. Unser Kader war in den ersten zwei, drei Jahren viel zu dünn besetzt, es fehlte an Quantität und damit natürlich auch an Qualität.» Nackte Zahlen untermauern diese These: Aus den ersten 60 Spielen resultierten lediglich drei Siege und einmal konnte der Abstieg nur dank dem Lizenzbetrug eines Teams aus der Romandie abgewendet werden. «Für die Klubführung hätte es 1000 Gründe gegeben, das 1.-Liga-Experiment abzubrechen», bilanziert Renggli in seiner Rückblende, «aber es spricht für die Pioniere um Carl von Heeren und seine Vorstandskolleginnen und -Kollegen, dass sie nie aufgegeben und immer an bessere Zeiten geglaubt haben. Dafür gebührt ihnen, wie auch allen Sponsoren, Business-Membern und Werbepartnern an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.»

Respekt hart erarbeitet
Red Lions Reinach, Team, Vorstellung, Onderwerch, Renggli
Der Routinier stemmt Kilos

Was war sein schönster, was sein traurigster Moment in den vergangenen viereinhalb Jahren? Rouven Renggli dazu: «Lange hat die Konkurrenz über uns als sicherer Punktelieferant gelacht, ja gespottet. Inzwischen ist ihnen das Lachen allerdings vergangen. Auch wenn die Rangliste nicht immer die Wahrheit aussagt, sind wir praktisch mit allen Gegnern auf Augenhöhe und haben uns den Respekt erarbeitet. Letztes Jahr waren wir voll auf Playoff-Kurs, als die Corona-Pandemie zum vorzeitigen Abbruch der Meisterschaft führte. Jetzt wiederholt sich die Geschichte und wir stehen erneut ohne Lohn für harte Arbeit da.» Die Corona-Pandemie und deren Folgeschäden sind für den Positivdenker denn auch das grösste Ärgernis: «Über Nacht werden nun erneut alle Lichter gelöscht. Das schlägt jedem von uns aufs Gemüt. Die immer wiederkehrenden Einschränkungen für Team und Zuschauer sind absolute Stimmungskiller. Wie soll da bei Spielern und Fans überhaupt noch Freude aufkommen?»

Hockey ja, Autofahren nein
Jubilar Rouven Renggli mit Neffe Phil

Was die wenigsten wissen: Rouven Renggli ist auf beiden Augen kurzsichtig und damit gegenüber den Mitspielern klar handicapiert. Kontaktlinsen und Brille helfen zwar im Alltag, reichen aber trotzdem nicht für ein optimales Sehvermögen. Fast ein kleines Wunder also, dass er überhaupt dem Puck nachjagen kann. Als Nicht-Autofahrer ist Renggli auf die Unterstützung von Teamkollegen angewiesen, um überhaupt die Trainings- und Spieltermine wahrnehmen zu können. Der Stürmer schwärmt denn auch in höchsten Tönen über seine hilfsbereiten Kumpel: «Als ich in Sursee wohnte, haben mich Jan Vogt und Marc Witschi chauffiert. Aus beruflichen Gründen (Studium) musste ich mein Domizil dann nach Rapperswil verlegen, kann jetzt aber bei Gian-Andri Gegenschatz aufsitzen, der mit seiner Verlobten ebenfalls hier zuhause ist.»

Mit starkem Teamgeist und hervorragendem Zusammenhalt noch viel erreichen
Red Lions Reinach, Game Winner Club
Renggli (2) mit seiner löwenstarken Truppe

Die Berufsmatura (Kunst & Design) hat Rouven Renggli bereits im Sack. Im Sommer 2022 schliesst er sein Studium mit dem Bachelor (Städtebau, Verkehrs- und Raumplanung) ab. Das Dress der Red Lions Reinach wird der Vorzeigekämpfer auch künftig tragen und in diesen Tagen einen neuen Vertrag unterzeichnen. «Der Spirit und Zusammenhalt in unserem Team ist hervorragend. Es macht grossen Spass, ein Teil dieser Mannschaft zu sein und ich bin überzeugt, dass wir zusammen noch viel erreichen können. Wenn nicht in dieser, dann halt in der nächsten Saison.»

Text: Albert Fässler
Fotos: Stefan Dömelt, Thomas Huber, Remo Conoci, Rouven Renggli, Philipp Dolder