Mit der Verpflichtung von Simon Schnyder haben wir einen echten Transfercoup gelandet. Denn als Captain und Leitwolf unserer jungen Truppe bringt der 31-jährige Verteidiger alle Voraussetzungen mit, um seine Teamkollegen besser zu machen.
Was aber hat den bald zweifachen Familienvater mit Wohnsitz in Hämiken überhaupt bewogen, nach 536 NLB-Spielen mit Olten (460), Thurgau (68) und Chur (8) im besten Alter vom bezahlten Hockey Abstand zu nehmen und in die „Provinz“ zu wechseln? Wir haben ihn befragt.
Simon Schnyder, im besten Hockeyalter haben Sie sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden. Was steckt hinter dieser Absicht?
Simon Schnyder: „Aufwand und Ertrag stimmten zuletzt nicht mehr überein. Die Saläre in der Nationalliga B sind zwar angemessen, aber doch nicht hoch genug, um damit eine Familie ernähren zu können. Demnächst bringt meine Frau das zweite Kind zur Welt und damit wird das Privatleben definitiv wichtiger als der Sport.“
Das tägliche Pendeln zwischen Ihrem Wohnort in der Luzerner Gemeinde Hämiken und der Thurgauer Gemeinde Weinfelden (Heimspielstätte des HC Thurgau) ist Stress pur und hat vermutlich zur Entscheidung beigetragen?
Schnyder (lacht): „Statt gefahren bin ich mehrheitlich am Gubrist im Stau gestanden. Doch Spass beiseite: Natürlich ist es einfacher und angenehmer, den Sport vor der eigenen Haustüre ausüben zu können. Zudem ist es höchste Zeit, meiner Frau etwas zurückzugeben. Sie hat mich jahrelang unterstützt und viele persönliche Opfer bringen müssen, zumal ich ja öfter den Klub wechselte. Zug, Chur, Thurgau, Olten und wieder Thurgau.“
…und jetzt wird Ihre Frau erneut enttäuscht. Statt sich wie geplant den Senioren des EHC Seetal anzuschliessen, geben Sie bei den Red Lions in Reinach wieder Vollgas.“
Schnyder: „Meine Frau steht voll hinter dieser Verpflichtung und hat mich dazu sogar motiviert. Denn zum einen bekomme ich als Leader eines jungen Teams selber viel Eiszeit, zum andern kann ich einen aktiven Beitrag leisten, die Jungen weiterzubringen und dem Projekt in Reinach zum Erfolg zu verhelfen. Eine Herausforderung, die mir echt Spass macht.“
Die Red Lions Reinach sind der Ostgruppe zugeteilt. Da warten hochkarätige Gegner wie etwa Arosa, Wetzikon, Oberthurgau und Aufsteiger Rheintal auf den Liga-Benjamin. Das wird sportlich garantiert kein Selbstläufer.
Schnyder: „Eine reizvolle Aufgabe, sich als krasser Aussenseiter gegen haushohe Favoriten durchsetzen zu müssen. Mein ganz persönliches Ziel ist nicht der Klassenerhalt, sondern ein Platz im Playoff. Ein funktionierendes Team kann auch unmöglich Scheinendes möglich machen. Das zeigen die zwei jüngsten Beispiele. Deutschlands Nationalmannschaft hat es an den Olympischen Spielen in den Final geschafft und beinahe Gold geholt. Und die Rapperswil Jona Lakers haben im Kampf um den letzten NLA-Platz den EHC Kloten eliminiert, obwohl deren Kader im Schnitt sicherlich mehr Substanz aufwies.“
Wie sieht sich Simon Schnyder selbst?
Schnyder: „Mit dem Hockey habe ich als Fünfjähriger begonnen. Ich war läuferisch und technisch nie mehr als braver Durchschnitt, bin auch kein Skorer, habe statt dessen aber ein grosses Kämpferherz. Ein Team kann mit Herz und Leidenschaft Berge versetzen und genau das muss auch in Reinach das erklärte Ziel sein. Wenn wir das Playoff schaffen, ist anschliessend alles möglich.“
Wäre mehr Demut und Bescheidenheit nicht das bessere Rezept?
Schnyder: „Viele Schweizer machen sich kleiner als sie sind und stehen dem eigenen Erfolg damit gleich selber im Weg. Wer im Leben etwas erreichen will, muss auch den Mut haben, sich hohe Ziele zu setzen.“
Wie steht es mit dem Gesundheitszustand?
Schnyder: „Trotz 536 NLB-Spielen in Kopf und Beinen hatte ich gesundheitlich nie ernsthafte Probleme mit Verletzungen und fühle mich topfit. Ich kann nur hoffen, dass sich daran in naher Zukunft auch nichts ändert. Zupass kommt mir übrigens auch der Kraftraum, den ich mir im eigenen Heim eingerichtet habe und der praktisch täglich genutzt wird.“
Sie hatten Angebote aus der ganzen Zentralschweiz?
Schnyder: „In der Tat gab es viele Interessenten. Nach mehreren Gesprächen mit den Verantwortlichen kam ich aber zum Schluss, dass die Red Lions für mich die beste Option sind. Hier kann ich zusammen mit den Teamkollegen mithelfen, eine Leistungskultur aufzubauen und somit für den hockeybegeisterten Nachwuchs eine Zukunftsperspektive zu schaffen. Dass ich nun Teil dieses ehrgeizigen Planes bin, macht mich stolz und glücklich. Sie können davon ausgehen, dass ich persönlich alles dafür tun werde, um dem 1.-Liga-Projekt zum Durchbruch zu verhelfen.“
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview mit Simon Schneider führte Albert Fässler