Startklar trotz Gerüchteküche

Eishockey 1. Liga: Troubles um die Red Lions nach einem verpassten Testspiel

Morgen in einer Woche bestreiten die Red Lions Reinach ihr erstes Spiel der neuen Eishockeysaison in der 1. Liga, mit schmalem Kader. Nachdem sie am vergangenen Sonntag aus Spielermangel ein Testspiel absagen mussten, geben sie Entwarnung. Der Saisonstart steht offenbar nicht in Gefahr. In einer Medienmitteilung geben sie Entwarnung und Headcoach Beat Renggli beantwortet in einem Interview Fragen zu den aktuellen Umständen.

Dass die Gründung eines 1.-Liga-Teams in Reinach ein ambitioniertes Ziel ist, war bereits zu Beginn allen klar. Erst kurz vor dem Stichtag im vergangenen Juni stand das Budget, womit man vom Verband das Okay erhielt, die Saison bestreiten zu können. Nicht nur die Bereitstellung des Budgets war eine Herausforderung, sondern auch jene des Kaders.
Und hier präsentiert sich die Situation offenbar ähnlich wie betreffend Budget: es herrscht Zeitdruck beziehungsweise -mangel. Am vergangenen Sonntag musste am Saisoneröffnungsfest des SC Weinfelden ein Match nur wenige Stunden vor Anpfiff abgesagt werden. Die Red Lions hätten nur mit einer Handvoll Spieler antreten können. Ausserdem wandte sich Red-Lions-Präsident Werner Ruf in einem Brief mit einem Hilferuf an seine Amtskollegen, wo er sie um Leihspieler bittet und einräumt, die Kritiker hätten zumindest in diesem Punkt recht erhalten. Gestern nun traf folgende Medienmitteilung der Red Lions ein:

„Das neueste Baby der nationalen Hockeyszene kann allen Spekulationen ein Ende setzen. Die Red Lions Reinach sind für die am 23. September mit dem Derby gegen die Argovia Stars beginnende 1.-Liga-Meisterschaft der Gruppe Zentralschweiz gerüstet und startklar. Dank der tatkräftigen Unterstützung einzelner Klubs konnten die Lücken im bis anhin schmalen Kader vollständig geschlossen werden. Trotz einer schwierigen Vorsaisonphase sind wir zuversichtlich, eine hungrige und kampfstarke Truppe ins Rennen schicken zu können. Ob sie mithalten kann, wird sich zeigen. Unser ambitioniertes Projekt ist für den Hockeyplatz Reinach ein Quantensprung und der wohl grösste Profiteur ist die sportbegeisterte Jungend der Region. Sie erhält schlagartig grosse Vorbilder und eine Perspektive für die Zukunft. Denn die Red Lions Reinach werden ab sofort auch in die Nachwuchsarbeit des Hauptvereins investieren und so zur Entwicklung der Hockeyszene aktiv beitragen. Wir sind uns bewusst, als grosse Aussenseiter gegen arrivierte Konkurrenten antreten zu müssen. Entscheidend sind für uns primär aber nicht die Anzahl der Siege und Niederlagen, sondern die Entwicklung. Wir wollen Tag für Tag, Woche für Woche einfach besser werden und den Matchbesuchern attraktives Eishockey bieten. Die Fans von Reinach und dem Einzugsgebiet haben es verdient, ein neues sportliches Aushängeschild zu bekommen. Die Red Lions Reinach haben in den vergangenen drei Monaten schon unglaublich viel erreicht und zumindest den Respekt aller verdient. Wir freuen uns auf viele ‚heisse‘ und faire Duelle in der Kunsteisbahn Oberwynental.“
Soweit die offizielle Mitteilung.

WB-Redaktor Martin Sommerhalder befragte im nachfolgenden Interview Headcoach Beat Renggli zur angespannten Situation.

Beat Renggli, am vergangenen Sonntag konnten Sie am Saisoneröffnungsfest des SC Weinfelden aufgrund von Spielermangel mit Ihren Red Lions nicht zum geplanten Testspiel antreten. Damit erhielt das Problem öffentliche Aufmerksamkeit. Wie akut ist das Problem?

Es entschärft sich von Tag zu Tag. Von der direkten Konkurrenz können wir natürlich keine Unterstützung erwarten, aber es gibt andere Vereine wie beispielsweise die Rapperswil-Jona Lakers, den EHC Bülach oder den SC Altstadt Olten, die uns Hilfe angeboten haben.

Steht der Saisonstart in Gefahr?

Definitiv nicht, obwohl dieses Gerücht von einigen Besserwissern verbreitet wird.

Wie angespannt sind Sie in der aktuellen Situation selber?

Als Trainer wäre es mir natürlich lieber, aus dem Vollen schöpfen zu können. Anderseits war es auch eine Lehrstunde für die sportliche Führung. Wir wissen nun, wer die Solidarität lebt und wer nur davon redet.

Ende Juli hatten die Red Lions elf Spieler unter Vertrag, wie ist der aktuelle Stand?

Ich gehe davon aus, dass wir im Startspiel vom 23. September gegen die Argovia Stars nicht nur eine komplette, sondern auch eine kampfstarke Truppe stellen werden. Als klarer Aussenseiter haben wir dabei nichts zu verlieren, können aber sehr viel Goodwill gewinnen.

Ihr Präsident, Werner Ruf, hat sich mit einem Hilferuf an die Schweizer Eishockey-Präsidenten gewandt. Haben Sie Kenntnis von irgendwelchen Rückmeldungen?

Dank persönlichen Beziehungen haben sich mehrere Türen geöffnet und es hat sich gezeigt, dass einzelne Klubverantwortliche über den eigenen Tellerrand hinaus denken und handeln. Dafür gebührt ihnen ein grosses Dankeschön. Sie helfen uns, ein einmaliges Projekt im nationalen Eishockey verwirklichen zu können.

Das erste Spiel findet in gut einer Woche statt. Ist es überhaupt noch möglich, innert so kurzer Zeit ausreichend Spieler zu finden und ein Kader in ausreichender Grösse bereitzustellen?

Wir haben neben dem Eis schon viel unmöglich Scheinendes möglich gemacht. Sie können davon ausgehen, dass wir auch sportlich rechtzeitig bereit sind. Die Fans werden ein Team sehen, das mit Leidenschaft und Herzblut ins Rennen steigt.

War mit dem schmalen Kader eine vernünftige Saisonvorbereitung möglich?

Nein. Da wäre mehr möglich gewesen, aber wir sind letztlich auch ein Opfer der Umstände. Als die Ligaführung am 10. Juni ihr Okay gab, hatten 95 Prozent aller Spieler schon irgendwo einen Vertrag unterschrieben. Diese Tatsache wurde uns später schmerzlich bewusst. Bekanntlich geht man aus einer Krise aber meistens gestärkt hervor und das trifft auf die Red Lions zu.

Trübt die angespannte Situation die Stimmung in der bestehenden Mannschaft?

Den Treuesten der Treuen in unserem Kader immer wieder Besserung zu versprechen, zerrt bei jedem Involvierten an der Substanz. Heute sind wir happy, die gemachten Versprechungen auch einhalten zu können.

Mit welchen Ambitionen steigen Sie ins Derby gegen die Argovia Stars, morgen in einer Woche?

Wir haben keine Chance, also packen wir die Chance! Die Fans werden ihr Kommen garantiert nicht bereuen.

Unter den gegebenen Umständen wird Ihre Mannschaft kaum mit einer Siegesserie in die Meisterschaft starten. Ist es vor diesem Hintergrund eher ein Vorteil, dass die 1.Liga-Gruppe Zentralschweiz lediglich aus sieben Teams besteht und man entsprechend mehrere Spiele gegen die selben Gegner spielt?

Weil Aufstieg und Abstieg in den nächsten drei Saisons ausgesetzt sind, haben wir die Chance, in Reinach sukzessive etwas aufbauen zu können. Kein Meister ist bis heute vom Himmel gefallen. Hinter allem steckt knallharte Arbeit. Wir investieren dabei nicht nur in die erste Mannschaft, sondern gleichzeitig in den Nachwuchs. Mit den Beiträgen des Business Clubs wird unter anderem ein zusätzlicher Jugendtrainer finanziert. Die Resultate haben bei uns momentan nicht erste Priorität. Natürlich wollen wir immer gewinnen, aber entscheidend ist die Entwicklung. Wir wollen Tag für Tag und Woche für Woche einfach Fortschritte machen. Denn das Projekt soll ja nachhaltig und keine ‚Eintagsfliege‘ sein.

Haben Sie trotz allem bereits ein Saisonziel definiert?

In unserer Gruppe spielen sieben Mannschaften. Die ersten Sechs kommen in die Playoffs. Platz 6 wäre für unser Start-up-Unternehmen zweifellos ein Erfolg. Denn das Leistungsdenken und die Leistungskultur müssen in den Köpfen der Beteiligten erst noch ankommen. Und das dauert.

Quelle: Wynentaler Blatt, 15.09.2017